Der vollständige Name deutet an; IEC 62353 „Medical Electrical Equipment – recurrent
test and test after repair of medical electrical equipment“, definiert die Anforderungen
an die Einhaltung der elektrischen Sicherheit bei der Nutzung von elektrischen medizintechnischen Ausrüstungen und Systemen.
Der Standard IEC 62353 ist der Harmonisierungsversuch bezüglich
der verschiedenen regionalen Standards und Vorschriften
für den sicheren Betrieb und die Prüfung medizintechnischer
Ausrüstung und Systeme. Dahingehend beinhaltet der Standard
IEC 62353 nicht nur Typprüfungen. Speziell zielt der Standard
darauf ab, eindeutige und einheitliche Regelungen bezüglich der
Sicherheitseinschätzung medizinischer Geräte zu schaffen und
dabei den Bezug zum Standard IEC 60601-1 zu erhalten und
andererseits die Risiken für die Prüfer zu minimieren.
Ein sehr wichtiger Punkt dabei ist, dass der neue Standard anerkennt,
dass die beschriebenen Laborbedingungen im Standard
IEC 60601-1 nicht immer garantiert werden können, wenn
medizinische Geräte unter Betriebsbedingungen geprüft werden.
Im Ergebnis bedeutet dies, dass Messungen unter speziellen Umgebungsbedingungen
an Ausrüstungen, die bereits im normalen
Einsatz sind, nicht immer praktikabel oder eindeutig einzuhalten
sind. Ein weiter zu berücksichtigender Faktor ist, dass die im
Betrieb befindliche Ausrüstung bei Typprüfungen potentiellen
Beschädigungen ausgesetzt wird, die potentielle Gefahren für die
Nutzer darstellen können.
1. WODURCH UNTERSCHEIDEN SICH
DIE BEIDEN STANDARDS IEC 62353 UND IEC 60601?
Obwohl der Standard IEC 60601 ein Typprüfungsstandard ist,
der die Sicherheitsanforderungen hinsichtlich Entwicklung und
Produktion von elektrischen medizinischen Geräten regelt, nutzen
ihn die meisten biomedizinischen und klinischen Technikabteilungen
und Medizinserviceunternehmen als Basis für regelmäßige
Prüfungen medizinischer Geräte bzw. auch nach Beendigung von
Servicearbeiten oder Reparaturen. Dies wird sich wahrscheinlich
mit der Einführung des vorgeschlagenen Standards IEC 62353,
der gegenwärtig durch die IEC entwickelt wird, ändern. Somit
werden spezifische Prüfanforderungen für das Prüfen von medizinischen
Geräten, die sich im Einsatz befinden, beschrieben.
Was werden also die Auswirkungen sein, die mit der Einführung
des Standards IEC62353 einhergehen und welche Unterschiede
wird es zu den Regelungen des weit verbreiteten und anerkannten
Standards IEC 60601 geben?
2.1. DER STANDARD IEC 60601
Der Standard wurde durch das internationale elektrotechnische
Komitee als Regelwerk zur Planung und Entwicklung medizinischer
Ausrüstungen eingeführt. Der internationale Sicherheitsstandard
IEC 60601, „Medical Electrical Equipment – General
Requirements for Safety“ wurde zuerst im Jahre 1977 veröffentlicht
und wurde weithin in seiner Kurzformbezeichnung IEC 601
bekannt. Hersteller von medizinischen Ausrüstungen müssen die
Prüfungen nach IEC 601 erfüllen, um sicherzustellen, dass die
entwickelten Ausrüstungen wirklich sicher sind.
Der Standard spezifiziert die Typprüfungsanforderungen zum
Schutz gegen potentielle elektrische Gefahren einschließlich
Schutzerdung (Massekontinuität), Fehlerstrom gegen Masse,
Patientenfehlerstrom und Patientenhilfsströme. Als ein Typprüfungsstandard
beschreibt er eine Anzahl von Messungen zum
Nachweis der Sicherheit eines Teils einer elektromedizinischen
Ausrüstung während der Gerätelebensdauer. Diese Messungen
beinhalten eine Kombination aus Stress- und Zerstörungsprüfung,
die unter bestimmten Umgebungsbedingungen durchgeführt
werden müssen. In vielen Fällen wurde der Standard IEC 60601
in lokale nationale Standards zur dortigen Anwendung umgeschrieben.
Beispiele dazu sind die Standards EN 60601 (EC), ES
60601, UL2601- 1 (USA), CSA C22.2 (Kanada) und AS/NZ 3200-1
(Australien / Neuseeland). Es liegt auf der Hand, dass Sicherheitsprüfungen
in der Entwicklungsphase und an Ende der Produktionskette
im wahrsten Sinne des Wortes lebenswichtig sind,
was aber soll geprüft werden, wenn die Ausrüstungen repariert
wurden? Infolge der Nichtverfügbarkeit eines anerkannten internationalen
Standards für Serviceprüfungen haben einige Länder
bereits Ihre eigenen nationalen Prüfempfehlungen eingeführt.
Beispielsweise haben einige Länder ihre eigenen technischen
Standards bzw. Richtlinien für Sicherheitsprüfungen für neu
gelieferte medizinische Geräte herausgegeben (manchmal als
Acceptancetest bezeichnet), andere Länder wiederum haben die
Prüfungen in regulären Intervallen spezifiziert (auch als sog. Preventive
Maintenance, d.h. vorbeugende Prüfungen, bezeichnet)
und andere Länder besitzen Prüfanforderungen, die unmittelbar
nach Service und Reparatur anzuwenden sind. Einige Beispiele
dazu sind MDA DB9801 (GB), VDE 750/751 (Deutschland), AS/NZ
3551 (Australien / Neuseeland) und NFPA – 99 (USA). Allgemein
sind alle diese Standards mit dem Ziel erstellt worden, die Sicherheit
medizinischer Geräte, die zur Diagnose und Behandlung von
Patienten eingesetzt werden, zu gewährleisten. Wie auch immer,
in den Ländern, in denen keine nationalen Vorschriften oder
Handlungsanweisungen für Serviceprüfungen bestehen, ist es gebräuchlich,
den Herstellerempfehlungen zu folgen, die ausnahmslos
empfehlen, den Anforderungen des Standards IEC 60601-1 zu
folgen und somit diese Prüfungen zu wiederholen.
2.2. IN-SERVICE PRÜFANFORDERUNGEN
Als elektrotechnischer Typprüfungsstandard stellt IEC 60601-1
keine harmonisierende Richtlinie hinsichtlich Prüfanforderungen
dar, wenn eine Komponente einer elektrischen medizinischen
Ausrüstung die Produktionslinie verlässt. Sobald ein medizinisches
Gerät einer Serviceprozedur unterzogen wird, stehen eine
Anzahl von potentiellen Prüfszenarien zur Durchführung
an. Das sind: Acceptance Test, auch als Initialprüfung oder Referenzprüfung
bezeichnet. Diese Prüfung wird als Vorbedingung
einer Betriebszulassung eines neuen medizinischen Geräts durchgeführt
und dient dem Nachweis der korrekten und kompletten
Lieferung. Acceptance Tests gehen oft über den Rahmen von
elektrischen Sicherheitsprüfungen hinaus, da auch einige Grundfunktionen
ausgeführt werden, um die korekte Arbeitsweise des
Geräts nachzuweisen. Routineprüfung, auch als PPM (Preventative
Product Maintenance, vorsorgliche Produktwartung, d.Ü.)
bezeichnet.
Diese Prüfungsart erfolgt oft nach festen Zeitabschnitten, die entsprechend
der Art der Ausrüstungen, den Herstellerempfelungen
und den Risikoeinschätzungen variieren, die durch individuelle
BME oder medizinisch-physikalische Abteilungen durchgeführt
werden. Routineprüfungen beschränken sich nicht auf Sicherheitsprüfungen
und beinhalten oft auch die Verifizierung der
korrekten Funktionalität der Geräte. Service – und Reparaturprüfungen
werden nach Reparaturen oder Produkt- Upgrades
durchgeführt und sind oft Teil von Servicedienstleistungen, die
von eigenen Mechanikern oder Ingenieurteams der Kliniken
durchgeführt werden. In vielen Fällen sind weitergehende strenge
elektrische Sicherheitsprüfungen nach Komponentenaustausch
oder nach Umkonfiguration medizinischer Geräte nötig.
2.3. TECHNISCHE ÜBERLEGUNGEN
Das Hauptziel des Standards IEC 62353 liegt in der Veröffentlichung
einer einheitlichen Regelung, die eine sichere Umsetzung
in der Praxis ermöglicht und die Komplexität des gegenwärtigen
Standards IEC 60601-1 reduziert. Beispielsweise ist einer der
Hauptunterschiede die Erdungsprüfung. Beim neuen Standard
ist ein minimaler Prüfstrom gegen Erde von 200 mA spezifiziert,
wohingegen im Standard IEC 60601-1 25 A verlangt werden. Bei
der Einschätzung von Fehlerströmen beinhaltet der Standard IEC
62353 eine Anzahl unterschiedlicher Methoden, um einen sichereren
Umgang bei den Messungen, sowie deren Wiederholbarkeit
zu gewährleisten. Zusätzlich zur direkten Fehlerstrommethode
des Standards IEC 60601-1 beschreibt der Standard IEC 62353
auch die differenzielle Fehlerstrommethode (in einigen Standards
auch Reststrom genannt) und die ‘alternative’ Methode. Alle diese
Prüfungen bieten eine Vielzahl an Vor- und Nachteilen (siehe
8.1 für weitere Einzelheiten).
2.4. WICHTIGE VORBEREITUNGEN
Obwohl die Veröffentlichung des neuen Standards IEC 62353 mit
seinen lokalen Anpassungen für 2007 erwartet wird, sollten alle
diejenigen, die in Planung, Management und Implementierung
elektrischer Sicherheitsprüfungsabläufe für medizinische Ausrüstungen
involviert sind, bereits jetzt damit beginnen, über die
möglichen Änderungen nachzudenken. Auch wenn die Hersteller
medizinischer Geräte zwangsläufig dazu verpflichtet sind, über
geeignete Serviceprüfabläufe für ihre Geräte zu informieren, wird
der neue Standard klare Auswirkungen auf medizinische Serviceunternehmen,
Biomediziner, Medizinphysiker, Kliniktechniker und
andere technische Abteilungen haben.
Um all denjenigen eine Hilfestellung zu geben, die wahrscheinlich
von den Änderungen, die mit der Einführung des neuen Standards
IEC 62353 betroffen sind, wird hier eine Zusammenfassung
von Prüfanforderungen in dieser Broschüre zum Standard IEC
62353 vorgestellt. Diese Broschüre ist nur als eine Anleitung mit
allgemeinen Informationen gedacht und nicht als vollständiger
Ersatz der Vollversion des Standards.
3. ALLGEMEIN GEBRÄUCHLICHE DEFINITIONEN IN DEN
STANDARDS IEC 60601 – IEC 62353
Equipment under test
Die zu prüfende Ausrüstung (EUT, equipment under test) ist das
Prüfobjekt.
Device under test
Das zu prüfende Gerät (DUT, device under test) ist das Prüfobjekt.
Applied Part
Teil der medizinischen Ausrüstung, der dazu bestimmt ist, mit
dem Patienten in physikalischen Kontakt zu treten oder Teile, mit
denen der Patient am wahrscheinlichsten in Berührung kommt.
Patient Connection
Individuelle physikalische Verbindungen und / oder metallische
Teile, die dazu bestimmt sind, mit dem Patienten verbunden zu
werden und die ein sog. „Applied Part“, bzw. Teile davon darstellen.
Patient Environment Räumlicher Umgebungsbereich, in
dem der Patient absichtlich oder unabsichtlich mit medizinischen
Ausrüstungen in Berührung kommen kann, sei es unmittelbar
oder mittelbar durch Kontakt über andere Personen, die die medizinische
Ausrüstung und den Patient berühren (siehe Anlage E).
F-Type Applied Part
Ein sog. „Applied Part“, das elektrisch schutzisoliert gegen Erde
ist, sowie andere Teile des medizinischen Ausrüstung. „F-type
Applied Parts“ sind sowohl „BF-“ als auch „CF- Applied Parts“.
Type B Applied Part
Dies ist ein sog. „Applied Part“, das den spezifizierten Anforderungen
für den Schutz gegen elektrische Schläge entspricht.
Typ B – „Applied Parts“sind jene, die nicht schutzisoliert sind.
Typ B sind Teile, die für kardiologische Anwendungen nicht
geeignet sind.
Type BF Applied Part
Typ F- „Applied Parts“ erfüllen einen höheren Schutzgrad gegen
elektrische Schläge als Typ B. Typ BF- „Applied Parts“ sind für
direkte kardiologische Anwendungen nicht geeignet.
Type CF Applied Part
Typ CF- „Applied Parts“ erfüllen den höchsten Schutzgrad gegen
elektrische Schläge. Typ CF- „Applied Parts“ sind für direkte
kardiologische Anwendungen geeignet.
Medical Electrical Equipment
Elektrische Ausrüstungen für die Behandlung, Überwachung und
Diagnose von Patienten, die über nicht mehr als einen Netzanschluss
verfügen und die nicht zwingend in direktem Kontakt
hinsichtlich Berührung oder elektrischer Verbindung mit dem
Patienten stehen oder Energie vom oder zum Pateienten übertragen
oder derartige Energieübertragungen messen.
Medical Electrical System
Ausrüstungskombination, bei der mindestens eine Ausrüstung als
„Medial Electrical System“klassifiziert ist und als solches vom
Hersteller für funktionale Verbindungen oder die Benutzung eines
multiportablen Steckverbinders deklariert ist.
Class I
Klasse1, Geräteschutz gegen elektrische Schläge durch (geerdet)
zusätzlichen Schutz zur vorhandenen Isolierung, indem exponierte
leitende Teile und die Schutzerdung durch feste Verdrahtung
an die Installation ang schlossen sind.
Class II
Klasse 2, auch als Doppelisolierung bezeichnet. Geräteschutz
gegen elektrische Schläge durch zusätzlichen Schutz zur vorhandenen
Isolierung, indem zusätzliche Isolierung verwendet wird.
Exponierte Metallteile werden hierbei nicht in die elektrische
Installation mit einbezogen.
Autor:
John Backes
Poduktmanager Rigel Medical